Der „Dieselzwerg“

- Ein Zwerg an Gestalt, ein Riese an Leistung -



Im nachstehenden Bericht wird die Geschichte des Kleinschleppers „Dieselzwerg“ dargestellt, hergestellt von der Firma Kühner und Berger GmbH in Sasbach bei Achern ⁄ Baden.

Die kuriose Konstruktion des Dieselzwergs ist ein Zusammenhang aus der Not des Krieges und der Lage Sasbachs mit der traditionellen Landwirtschaft in der Ortenau, dem Obstbau auf Kleinparzellen.


Die Geschichte des Kleintraktor „Dieselzwerg“

Anfangs bestand die Firma bei Achern in Baden aus einer Säge- und Kornmühle, geleitet von Eduard Kühner. Während des 2. Weltkrieges wurde von Julius Berger in einem kleinen Bereich der Mühle für die Rüstung gearbeitet. Hergestellt wurden Hydraulikverschraubungen für die Luftfahrt. Nach dem Zusammenbruch und dadurch das Sasbach in der französischen Zone lag wurde der Betrieb natürlich demontiert. Nach dem Neuanfang 1946 wurde eine mechanische Werkstatt gegründet. Anfangs reparierte man Stoßdämpfer für die Französische Armee. Später übernahm man die Vertretung für die 1947 neugegründete Firma Farny und Weidmann, heute bekannt unter dem Namen „Farymann Diesel“. Die Motoren wurden als Stationärmotoren für Landwirtschaft und Gewerbe verkauft. Auf einer Leistungsschau in Achern wurde der Ruf laut, diesen Motor auf ein Fahrgestell zu setzen. Gesagt, getan: Im Spätjahr 1949 wurde der erste Prototyp gebaut und bald darauf der Bevölkerung erstmalig vorgeführt. Der erste serienreife Dieselzwerg wurde im Februar 1950 ausgeliefert. Bis zum Jahr 1956 wurden genau 198 Exemplare gebaut (mit dem Prototyp der noch heute existiert sind es insgesamt 199 Stück). Mitte der 1950er Jahre wurde die Kleinlandwirtschaft von den 4-Radschleppern wie beispielsweise Lanz, Hanomag und Kramer erobert. Der Dieselzwerg war dudurch nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Firma Kühner und Berger konzentrierte sich fortan auf allgemeinen Maschinenbau und Schlosserarbeiten.

Bild 1: Gruppenbild vor dem allerersten Dieselzwerg


Die Technik des Dieselzwerg


Bild 2: Erste Versuche: Der Prototyp
Der Zwerg ist in Rahmenbauweise und nicht, wie zu jener Zeit üblich, in Blockbauweise ausgeführt. Der Rahmen besteht aus zwei Längsrohren (3-Zoll), die vorn und hinten offen sind. Für die Aufnahme von Motor und Getriebe sind Querverbindungen eingepasst. Am Vorderen Ende befinden sich zwei schräg nach oben angeschweißte Rohre die die Lenksäule tragen. Der Rahmen ist eine Schweißkonstruktion aus eigenem Hause. Ebenfalls auch Pritschengestell, Lenker, Vorderradgabel und fast alle Kleinteile des Dieselzwerges. Der Motor stammt, wie schon erwähnt, aus dem Hause Farymann. Bei den ersten eingebauten Exemplaren war der Schriftzug „Farmann“ in den Motorblock eingegossen und die Leistung betrug 7,5 PS. (Der Name „Farmann“ war in England geschützt, wodurch eine Namensänderung in „Farymann“ notwendig wurde). Die weiteren Aggregate waren mit dem Schriftzug „Farymann“ versehen und mit einer Leistung von 8 PS ausgewiesen. Auf Sonderwunsch erhielt man 10 PS. Diese Motoren unterschieden sich zunächst etwas in der Gehäuseform, später wurden aber auch die 8-PS-Motoren mit neuem Gehäuse ausgeliefert. Der Motor ist ein verdampfungsgekühlter 1-Zylinder in liegender Bauart mit 763 ccm Hubraum und 8 PS bei 1500 U ⁄ min. Die Bohrung beträgt 90 mm und der Hub 120 mm. Der spätere Motor hatte 10 PS bei 1750 U ⁄ min. Das Getriebe sitzt hinter dem Motor unter der Pritsche. Es ist nicht am Motor angeflanscht sondern mit Halterungen am Rahmen befestigt. Des Getriebe (Schalt- und Verteilergetriebe) kommt bei allen Zwergen vom US-Jeep. Diese wurden in den Englischen und Amerikanischen Besatzungszonen schon ausgeschlachtet. Weiterhin kommen die Kupplung und die Kupplungsglocke vom Jeep. Die Kupplung wurde mit Hilfe einer Distanzscheibe auf das Schwungrad des Motors aufgeschraubt. Da der Jeep Allradantrieb besaß, wurde am Verteilergetriebe der Abgang zur vorderen Gelenkwelle sowie der Schalthebel zum einschalten des Allradantriebes verschlossen. (Im Bild 2 noch gut zu erkennen: Der Abgang der Vorderen Gelenkwelle). Am Hinterachsausgang blieb die Handbremse und fungierte weiterhin. Am Kardanantrieb wurde ein Duplex-Kettenrad angeschweißt. Somit hatte der Zwerg 3 Vorwärtsgänge und ein Rückwärtsgang, die durch das Untersetzungsgetriebe in Straßen- und Ackergänge aufgeteilt wurden. Insgesamt standen also 6 Vorwärts- und 2 Rückwärtsgänge zu Verfügung. Der 2. und 3. Gang ist vollsynchronisiert, der 1. Gang jedoch nicht, der zudem noch geradverzahnt war. Bei den ersten 73 Dieselzwergen wurde auch die Hinterachse vom US-Jeep verwendet. Sie sitzt unterhalb des Rahmens, direkt unter dem Getriebe. Die Achse wurde gedreht, sodass der Achsantrieb nach hinten ragt. Der Getriebeausgang und der Achseingang wurden mittels Dupplex-Kette verbunden.

Bild 3: Das Andrehen mit der Handkurbel
Die Bremse der Jeep-Achse wird hydraulisch betätigt. Dadurch musste für die Lenkbremse jeweils 1 Hauptbremszylinder verwendet werden (in Bild 2 und 3 gut zu erkennen). Dies führte oft zu einseitigem Bremsen. Weiter waren die Steckachsen für die Belastung zu schwach und bei engen Wendemanövern (3,2 m Wendekreis) zerriss es oft den Differenzialkorb. Um dem abzuhelfen wurden bis zur Fahrgestellnummer 114 Hinterachsen von Opel eingebaut. Während dieser Zeit sind auch einige Dieselzwerge mit Adler-Achsen ausgerüstet worden. Diese Achsen waren aber zu breit, wodurch das Achsgehäuse und die Steckachsen gekürzt werden mussten. Die Einbauposition war jedoch immer gleich: Der Achsantrieb ragte nach hinten und wurde mittels Duplex-Kette an das Getriebe angebunden. Bei diesen Achsen war die Bremse mechanisch und wurden mittels Seilzug betätigt. Dies funktionierte aber nicht so recht und die Bremsung war wieder einseitig. Somit wurden ab der Fahrgestellnummer 114 die Hinterachsen kurzerhand selbst gebaut. Das Differenzialgehäuse samt Innenleben wurde von der Firma Prometheus eingekauft. Die Achshälften und Steckachsen wurden selbst hergestellt. Das Bremsblech wurde von der Firma Perrot zugekauft, die Bremstrommel wiederum selbst hergestellt. Die Bremse wurde nun mittels Gestänge betätigt. Somit konnte auch die Handbremse am Getriebe entfallen. Diese wurde nach vorne an das rechte Steigrohr verlegt und wirkte nun auf die Fußbremse.


Bild 4: Mitfahrgelegenheit auf der Pritsche
Die standardmäßige Pritsche ist nicht nur zum laden sehr praktisch sondern auch zum mitfahren geeignet. Konstruiert ist sie für 300 kg Zuladung. Im Bild 3 sind die Betongewichte für die ersten Versuchsfahrten gut zu erkennen. Der Drehpunkt vom Pritschenschlag ist eine gute handbreit unter der Pritsche verankert. Beim öffnen des Pritschenschlages bleibt dieser ca. 40 cm unter der Pritsche waagerecht liegen. Somit entsteht ein angenehmer Fußaufstellplatz und es können laut Kraft-fahrzeugbrief 2 Personen auf der Pritsche mitfahren. Der Lenker ist direkt mit der Vorderradgabel verbunden. Die Lenkwelle geht direkt durch die Lenksäule in der sie gelagert ist und wird oben mit dem Lenker verstiftet. Der Fahrersitz ist mit einem Drehgelenk an der Lenksäule befestigt. Er wird dadurch beweglich und mittels einer Spiralfeder angenehm abgefedert. Durch das Drehgelenk kann der Fahrersitz hochgeklappt werden um den Motor bequem anwerfen zu können. Bei den ersten Fahrzeugen konnte man den Sitz zusätzlich wegschwenken, wie auf Bild 3 gut zu erkennen.


Bild 5 : Landwirtschaftliche Ausstellung in Achern
Der Motor wird mit einer zusätzlichen Andrehkurbel direkt an der Nockenwelle angeworfen, welche unter dem Fahrersitz abgelegt werden kann.
Eine weitere Kuriosität am Dieselzwerg ist die Zapfwelle. Sie ist die Verlängerung der Hauptgetriebewelle nach Hinten, wodurch sie 3 Geschwindigkeiten und einen Rückwärtsgang besitzt. Wird die Kraftabgabe an der Vorderseite des Dieselzwergs benötigt, wird einfach eine zweite Welle im linken Rahmenrohr nach vorne verlegt. Fertig ist die Frontzapfwelle, die hinten mit 2 Keilriemen mit der eigentlichen Zapfwelle verbunden wird.


Bild 6: Frontmähwerk beim Getreidemähen
Für den Dieselzwerg gab es verschiedene Mähwerke:

Mähwerk-Typ 1:

Ein Frontmähwerk mit einem Messerbalken vor dem Kleintraktor. Dieses wird von der Frontzapfwelle angetrieben und eignete sich gut zum mähen von Getreide.


Bild 7: Vorderes Seitenmähwerk

Mähwerk-Typ 2:

Ein Seitenmähwerk, ebenfalls von der Frontzapfwelle angetrieben. Dieses Mähwerk wurde nur selten gebaut. Es gab Probleme mit dem Aushub es war kupplungsabhängig. Außerdem war es zu weit vorne positioniert. Da die Hinterachse den Drehpunkt bildet, schwenkte der Schlepper bei kleinsten Lenkbewegungen vorne zu weit aus und es kam zu Verstopfungen.


Bild 8: Seitenmähwerk

Mähwerk-Typ 3:

Dieses Seitenmähwerk war mittig angebaut und es machte den Dieselzwerg zu einer genialen Mähmaschine. Es wurde mittels Keilriemenscheibe von der Nockenwelle aus angetrieben. Dadurch war es kupplungsunabhängig und schnitt sich immer frei, wodurch Verstopfungen stark reduziert wurden. Außerdem lag der Drehpunkt ziemlich nah beim Hinterrad, sodass sich die Manövrierfähigkeit stark verbesserte. Auf den Baumfeldern in der Ortenau war dies sehr von Vorteil. Das zeitraubende Zurückfahren vor einem Baum und das Rangieren beim Umkehren am Ackerende blieb fortan erspart. Durch das Umkehren und Wenden fast auf einer Stelle und durch die Kupplungsunabhängigkeit war der Dieselzwerg den Schleppern mit breiteren Messerbalken überlegen.


Bild 9 : Das patentierte Wechselpflugwerk.

Wechselpflugwerk

Von einer weiteren Außergewöhnlichkeit wäre noch zu Berichten: Das Wechselpflugwerk, welches im Zusammenhang mit dem Traktor sogar zum Patent angemeldet wurde. Der Dieselzwerg besaß keinen Pflug hinter dem Schlepper wie sonst. Dieser wäre durch die hinten liegende Pritsche nicht einsehbar gewesen. Laut Originaltext der Patentschrift heißt es: "Unbedingtes Erfordernis ist es schließlich noch, das alle an die Ackermaschine anzubauenden Geräte (z.B. Pflugschare, Mähbalken usw.) vom Fahrersitz aus während der Arbeit ohne eine Beeinträchtigung der Bedienungssicherheit und -bequemlichkeit sowie ohne Schwierigkeit montiert und demontiert werden können." Die Pflugscharen wurden somit vor dem Hinterrad links und rechts angebracht. Dadruch entfiel ein Wendpflug der gedreht werden musste. Außerdem war der Pflug sehr wendig und übersichtlich. Der Pflugschar konnte mittels Hebelwerk vom Fahrersitz ausgehoben werden.

Bild 10 : Die erste Vorführung 1949 mit noch einem Pflug.
Das exakte Pflügen bis zum Baum ist zu erkennen.
Dies erlaubte exaktes Pflügen und ersparte eine teure Hydraulik (Bild 9 & 10). Auch konnte näher an einen Baum herangefahren werden, da gleich bei der ersten Fahrt die Furche bis zum Gewünschten Objekt hingezogen wurde (im Obstbau von Vorteil). Weiter heißt es im Originaltext der Patentschrift: "mit der das Pflügen ohne Befahren des Nachbargrundstückes bis hart an die Grundstücksgrenze oder bis dicht an die Baumreihen heran möglich ist."



Dreirad-Traktoren wurden in den 1950er Jahren auch von einigen anderen Herstellern in kleineren Stückzahlen produziert. So waren im badischen Renchtal beispielsweise die Firmen MULAG (Motor- Universal- Lasten- Arbeits- Gerät), LADOG (Leichte Arbeit Durch Ordentliches Gerät) und Platten (Typ Ponny) ansässig. Zweifelsohne war aber die Vielseitigkeit des Dieselzwergs mit den zahlreichen Anbaugeräten und dem patentierten Wechselpflugwerk unübertroffen.


Nach oben
Impressum & Kontakt